Quo Vadis Urban Gardening?

#StadtgartenSterben #GrüneKarrieristen #KulturelleAneignung #Aktion23Mai

Am 15. Mai ließ mich ein eher selten in den Nachrichten zu findendes Wort aufhorchen: „Urban Gardening“. Es ging um Clan-Kriminalität, und wie man beschlagnahmte Immobilien am besten für das Allgemeinwohl umfunktionieren könne. „Auch eine Nutzung durch Urban Gardening sei denkbar“, hieß es.
Eine Alarmlampe blinkte in meinem Kopf. Ob das jetzt wohl das „Urban-Gardening-2.0“ sein mochte, das auf dem 2. Netzwerktreffen der Urbanen Gärten Berlins im November 2017 ausgerufen wurde? Doch eher nicht, wo doch der Sensenmann seitdem durch die Stadtgärten zieht oder zumindest schwarze Schatten von allen Seiten auf das Stadtgrün fallen.
Wortwörtlich. In Neukölln sollen exklusive Eigentumsblöcke die Hälfte der von der Prachttomate genutzten Gartenfläche besetzen und den Rest massiv verschatten. Der 2013 erstrittene Mietvertrag des Kreuzberger Prinzessinnengarten ist abgelaufen, auf einer offenen Kiezversammlung am 18. Mai wurde über die Zukunft dieses Stadtgarten-Flagschiffes diskutiert. Am 25. Mai feiert der Gemeinschaftsgarten Allmende-Kontor auf dem Tempelhofer Feld „5 Jahre Volksentscheid“, wo gerade jetzt zynischerweise Politiker wieder offen über die Bebauung reden und ein neuer Volksentscheid ins Spiel gebracht wird. Schon zu Grabe getragen ist aktuell das Weddinger Himmelbeet; der Sensenmann ziert die Todesurkunde, die derzeit die Runde macht. Am 23. Mai findet eine Aktion „Katharsis der Freiräume“ statt: Beginn 17 Uhr am Hansaplatz. „Kriminelle Clans retten Urban Gardening“ zischt eine Schlagzeile durch meinen Kopf. Angenommen, es werden tatsächlich einige Flächen zu vergeben sein – wie würde das praktisch umgesetzt?

Beschlossen ist schon das Urban-Gardening-Konzept des Senats, mit dem freies Stadtgärtnern gefördert werden soll. Die Stelle einer „Sachbearbeiterin bzw. eines Sachbearbeiters für städtisches Gärtnern sollte nach dem ersten Quartal dieses Jahres besetzt worden sein; welche Person wann das Amt antreten wird entzieht sich meiner Kenntnis. Würde diese Senatsstelle dann die beschlagnahmten Flächen ausschreiben? Oder würde derjenige Stadtgarten, der zuletzt von seiner zwischengenutzten Heimat mit Billigung des Senats vertrieben worden war, die neue Fläche automatisch bekommen?
Im besten Fall sehe ich neues Grün sich aus einem Stapel Bürokratie ans Licht kämpfen.
Schlimmstenfalls sehe ich Kulturelle Aneignung von Urban Gardening durch den Senat; der Freiheit beraubt und umgedeutet, wie es gerade den Interessen entspricht. Grüne Karrieristen sitzen dann plötzlich in allen Vorständen, die den Enthusiasten ungeduldig erklären, dass es eben bestimmte Grenzen und Regeln gibt. Die Pioniere hingegen, die eigenhändig und ehrenamtlich den Müll von den Brachen entfernt, mit frierenden Händen verseuchten Boden in gesunde Erde umgewandelt, in Einkaufswägen Pflanzen herbeigeschafft haben, die werden ohne Pachtvertrag auf den Status des Guerillagärtners zurückgeworfen und schlendern mit Taschen voller Saatgut durch die Stadt. Woher solch negativen Gedanken in meinen Kopf kommen, wundere ich mich. Ich muss es wohl schon irgendwo gesehen haben.